Egal, wer dir das gesagt hat, und egal, wie oft es dir schon gesagt wurde: Deine Zielgruppe kannst du nicht mit einem Absatz in deinem Business Plan abhaken.
Deine Zielgruppe ist nicht „Männlich, 35-50 Jahre, angestellt, gutverdienend, lebt im Vorort einer deutschen Großstadt und grillt gerne“.
Deine Zielgruppe besteht aus individuellen Menschen mit jeweils eigenen Leben, Ansichten und Entscheidungen. Das sind die Menschen, denen du hilfst oder die du erfreust mit deiner Arbeit — deren Leben du bereicherst. Das sind die Menschen, die für deine Arbeit Zeit, Aufmerksamkeit und Geld ausgeben, und damit wiederum dein Leben reicher machen.
Diese lebendigen Menschen sind nun mal lebendig. Also auch überraschend und unberechenbar. Die leben und verändern sich und können was. Und, wie mit allen Menschen: die können dich berühren und bewegen. Davon weiß der trockene Absatz in deinem Business Plan gar nichts.
Kennenlernen tust du sie natürlich nicht, indem du über sie schreibst, sondern mit ihnen sprichst. Und um das zu tun, darfst du auch mal zu ungewöhnlichen Mitteln greifen:
Ich habe das gesamte Wochenende mit einem Haufen von Imkern in einem Eselstall verbracht und dort Platinen gelötet.
Diese Platinen kommen in die „Bienensauna“ — das ist ein Wärme-Element, das unter einen Bienenstock gesteckt wird, den Stock langsam erhitzt und dabei die schädliche Varroa-Milbe abtötet.
All diese Imker (zwischen 7 und 83 Jahren: soviel zu Altersbeschränkungen in Zielgruppen) hatten sich freiwillig gemeldet, um auf dem Bienensauna-Bauwochenende mitzuhelfen, die Prototypen zu bauen. Sie haben gelötet, gesägt, geschraubt, gebohrt und geschwätzt, in den unterschiedlichsten Dialekten. Imker reden gerne, und viel; sie sind impulsive, fröhliche Charakterköpfe.
(Unsere „Elektrowerkstatt“ von außen)
Dieses Bauwochenende war auf einigen Ebenen außergewöhnlich. Angefangen natürlich bei der Tatsache, dass es überhaupt ein Bauwochenende gab — das ist ja nun keine ganz typische Produktionsweise.
Drei Dinge habe ich dabei beobachtet, die ich spannend fand. Und die können auch dir helfen, näher an deine Menschen zu kommen (ohne mehr Zeit mit trockenen Zielgruppen-Beschreibungen zu verschwenden):
Dieses Wochenende war eigentlich eine richtig komische Aktion. Die passt in keinen Business Plan, die versteht kein Bankberater — die meisten Menschen, die dort waren, konnten selber nicht richtig erklären, warum sie dabei sind.
Ich vermute aus Neugier und aus dem Bedürfnis heraus, etwas mitzugestalten. Und: weil (offensichtlich zumindest einige) Imker genau so drauf sind. Die haben starke Vorstellungen von Gemeinschaft und von Ehrenamt, die wollen etwas bewegen und zum Besseren verändern, die kennen sich aus mit Biotopen und Kettenreaktionen und sie können anpacken.
Deshalb passt ein Bauwochenende so gut zu diesem Projekt und seinen engagierten Unterstützern: Sie gestalten mit und sind Teil von etwas Größerem, sie sind da, um die Biene zu retten. Oder es zumindest zu versuchen. Sie fühlen sich anders, weil sie Teil einer solchen Aktion sind. Das nennt man eine gemeinsame Vision, und die setzt starke Kräfte frei.
Das sage ich ja nun dauernd, aber es ist so wahr: Gespräche verändern die Welt.
Vier Augen, beziehungsweise 90 Augen, sehen mehr als zwei. Mehr Fehler, die man beheben kann, und mehr Möglichkeiten, wie man etwas noch machen könnte.
Es ist faszinierend, was Menschen alles können! Was die Alten alles können. Was die Jungen alles können. Wieviel Geschick und Wissen und Können um uns herum ist. Wie unglaublich gut das ist, wenn alle miteinander einfach machen, ohne zu meckern oder sich auszubremsen, und voneinander lernen.
Das Bienensauna-Team hat an diesem Wochenende seine sogenannte Zielgruppe erlebt. Nicht als Zahlen oder demografisches Sätzchen, sondern als Menschen. Als die spannende, vielschichtige, kauzige, verrückte Truppe, die sie sind. Denen sie verpflichtet sind.
Du kannst dich keiner trockenen Beschreibung gegenüber verpflichtet fühlen. Aber 45 Menschen, die freiwillig mit dir ein Wochenende lang an deinem Produkt schrauben?
Die nimmst du ernst. Und zwar langfristig.
Die kennst du. Wenn du dann einen Artikel schreibst oder eine Änderung planst oder etwas Neues einführen willst — dann musst du nicht raten oder in der Luft rumstochern, sondern du weißt, ob und wie das ankommen wird.
Ein spezielles Thema, spezielle Macher, spezielle Unterstützer. Es geht um ein Produkt, und auch noch eins, das in Serie gehen soll. Darum geht’s bei dir vielleicht nicht.
Aber du bist auch speziell.
Auch du kannst komische, ungewöhnliche, wirksame Wege finden, um dein Publikum einzubinden, um von ihm zu lernen und es ganz nahe kennenzulernen.
Wie könntest du das für deine Selbständigkeit umsetzen?
Was könntest du einrichten oder anbieten oder machen, um noch ein Stückchen näher an deine Leute zu rutschen und sie wirklich teilhaben zu lassen?
Man muss sehen lernen, und das verlangt sehr viel mehr als die Bedienung eines Apparates oder von Marktsegmenten. Frank Berzbach
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