Sollen wir langweiliger werden?

Je näher ich der Arbeit komme, die ich wirklich machen will — also beobachten und aufzeichnen, wie Kunst und unternehmerisches Handeln zusammengehören können — desto leichter lasse ich mich von ihr ablenken.

Im Kleinen: ich räume dieser Arbeit nicht genügend oder feste Zeit ein, muss plötzlich Wäsche waschen oder Zeitung lesen, dann klingelt's — genauso wie im Großen: ich nehme einen anderen Auftrag an, starte ein neues Zwischenprojekt, brauche dringend noch ein bisschen mehr dieses oder jenes. Meistens Sicherheit.

Das große Wanken

Ich glaube, ich weiß warum das so ist. Je ernster ich meine Arbeit nehmen kann, desto eher kann ich wirklich scheitern. Das ist jetzt kein Job mehr, das ist nicht etwas das ich eben mache um Geld zu verdienen. Sondern das hier habe ich mir ausgesucht, das will ich und so will ich die Welt verändern.

In der Freiheit, tatsächlich das tun zu können, was mir wichtig ist, liegt eine Verantwortung, die eine Angst mit sich bringt. Zu versagen, daneben zu liegen, kritisiert und ausgelacht zu werden.

Wäsche waschen ist einfacher. Ein neues klassisches Web-Design-Projekt annehmen ist einfacher.

Klar weiß mein Kopf, dass das Danebenliegen gar nicht so schlimm wäre und dass Kritik konstruktiv sein kann. Dass es viel schlimmer wäre, wenn ich diese Ideen nicht testen und nicht ausprobieren würde, wenn ich mich also von mir selbst lähmen liesse.

Aber ach — der Kopf und ich. Die Pläne und das Tun ...

Die Stabilismen

Ich will Automatismen entwickeln, die mich zum weitermachen bringen. Pläne, die mich zum Tun zwingen. Die keine Ablenkungen erlauben. Malerische Probleme lassen sich nur im Malen lösen. Unternehmerische Probleme nur im Unternehmen.

Eine innere Gewissheit finden, die sich nicht lähmen lässt.

Deshalb schreibe ich.

Deshalb denke ich über Rituale nach und darüber, wie ich meinen Tag, meine Woche strukturieren kann. Wie ich mir Anker setzen kann im Alltag, die mich immer wieder zu meiner Arbeit hinführen — und andere, die mich wieder rausholen.

Diese Anker sollen meine Woche und meinen Tag und mein Jahr voraussehbarer machen — langweiliger — damit ich mir selber nicht ausweichen kann. Damit ich nicht anfange, mehr nachzudenken, sondern mehr mache. Damit ich schreibe, nicht weil die Muse mich trifft oder weil die Sterne richtig stehen, sondern weil ich jeden Donnerstag schreibe, oder jeden Tag anderthalb Stunden, oder alle fünfeinviertel Stunden.

Die Sicherheit, um frei zu sein

Das soll mir da Sicherheit geben, wo ich sie gut ertrage, und da Freiheit, wo sie sich am sinnvollsten aufhält.

So gut das klingt — für mich als ewigen Zwilling, als Alles-Woller und Alles-Gleichzeitig-Macher, ist das überhaupt nicht einfach.

Ich schätze mal sehr große Tassen und mal ganz kleine, in die keine palm full of tea hineinpasst. Ich will gerne fließen und nicht machen müssen, weil es in meinem mir aufgestellten Plan steht. Ich kann in ausgewogenen Tagen und in ausgewogenen Jahren denken, nur entscheiden kann ich mich nicht.

Deshalb bin ich neugierig: wie funktioniert das für dich? Lässt du dich ablenken von all dem, was kommt — oder dringt dein innerer Auftrag durch alles hindurch? Und falls nicht, was hast du gelernt, um damit umzugehen?




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